Zeit für einen Rückblick. Am Anfang war – ein Workshop im Mai 2011, organisiert von Attac Heidelberg, der „Paecon“- Gruppe für alternative Wirtschaft an der Universität Heidelberg und von der Volkshochschule Heidelberg. Das Thema: Wachstum. Mit Fragezeichen. Gemeint: die scheinbar grenzenlose kapitalistische Wirtschaftsdynamik. Teil der Fragestellung: Was kann man jetzt schon tun? Gibt es praktische Alternativen? Und dann kam der Bericht Cynzia Fenoglios über ihr Projekt auf dem Schmidthof in der Pfalz. Dort hatte ihre Mannheimer Gruppe zusammen mit der Bauernfamilie eine Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft gegründet. Das war der entscheidende Funke. Und nach Veranstaltungsschluß in der VHS fand sich spontan ein gutes Dutzend Teilnehmer*innen in der Vorhalle zusammen und beschloß: das machen wir auch!
Es folgten regelmäßige Versammlungen mit stetig wachsener Teilnehmerzahl. Nach und nach kamen auch Interessierte aus der Landwirtschaft dazu, darunter Björn Rothermund, damals Angestellter auf dem Markushof. Er vermittelte die Verbindung zu Markus. Und damit waren die Weichen gestellt. Der Rest ist Geschichte.
Was war unser Ausgangspunkt? Eine industriell betriebenene, rein am Profit orientierte Landwirtschaft hat offenbar verherrende Folgen für Mensch und Natur. Das dazu gehörende Verteilungssystem, in dem Supermarktketten in gegenseitigem Unterbietungswettbewerb den Markt beherrschen, tut das Seine dazu. Verbraucher und Erzeuger wissen in diesem System nichts voneinander. Der einzige Verbindungspunkt ist der Preis. Die sozialen Folgen und die negativen Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit gehen in diesen Preis nicht ein. Unser Fazit: ein solches System kann auf die Dauer nicht zukunftsfähig sein. Und deshalb unser Entschluß, als Verbraucher selber die Verantwortung für die eigene Nahrungsmittelversorgung in die Hand zu nehmen, auf der Grundlage einer biologisch und ökologisch nachhaltigen Anbauweise und in einer solidarischen Verbindung mit den produzierenden Landwirten. Das heißt: beide Seiten tragen in gleicher Weise Verantwortung und Risko miteinander. Mit diesem Entschluß begann für uns ein Weg mit vielen Stationen und gelegentlich auch mit Stolpersteinen. Aber rückblickend war es eine kontinuierliche Aufwärtsentwicklung. Das zeigt schon der stetige Anstieg der Mitgliederzahlen und die lange Warteliste.
Es gab viel dabei zu lernen, für beide Seiten, den Hof und die Solawi. Als Solawi-Gemeinschaft mussten wir uns nicht nur mit der Landwirtschaft und ihren besonderen Bedingungen auseinandersetzen, die Mentalitätsunterschiede zwischen Stadt und Land eingeschlossen. Es ging auch um die Herausbildung verläßlicher Strukturen für die eigenen internen Verständigungs- und Entscheidungsprozesse. Das fing an bei der basisdemokratischen Organisation in Plenen und Arbeitsgemeinschaften, ging weiter über die Festlegung eines konsensorientierten Abstimmugsverfahrens sowie einer für alle verbindlichen Regelung der Mithilfe auf dem Acker und beim Packen bis hin zur Erarbeitung einer Verteilungslogistik über ein Netz von Depots mit Abholdiensten und der Einführung eines elektronischen Bestellsystems. Dabei steckte der Teufel– wie so oft – im Detail, z.B. beim Rücklauf der Milchflaschen zum Hof. Was tun gehen die immer wieder auftretenden Verunreinigungen? Der Geniestreich: jeder hat seine namentlich gekennzeichnete Flasche und ist dann auch selber mit den Folgen der eigenen Nachlässigkeit in Sachen Sauberkeit konfrontiert.- Und so kam dann im Laufe der Zeit eines zum anderen. Das gilt auch für den Umgang mit einer zunächst eher als Fremdkörper empfundenen Vereinsstruktur. Auf der anderen Seite war es für die Landwirte sicher eine besondere Herausforderung, anstatt mit Einzelkunden mit einer Verbrauchervereinigung umzugehen, welche die gesamte Produktion abnimmt und von dieser Machtposition aus auch eine Mitentscheidung über die Anschaffungen und Investitionen des Hofes beansprucht, soweit diese in die Richtwert-berechnungen der Gemeinschaft eingehen, d.h., in den Abnahmepreis für die Produkte. Eine weitere Schwierigkeit für den Hof stellen die basisdemokratischen Entscheidungsprozesse der Solawi dar. Ihr Vorteil: sie nehmen die gesamte Gemeinschaft mit. Ihr Nachteil: sie laufen ihrer Natur nach langsam,- selbst dann, wenn sie gut laufen. Die Lösung für diese Fragen liegt in einer vorausschauenden, gemeinsamen Planung von Hof und Solawi. Und das bleibt eine ständige Aufgabe für beide Seiten.
Ja, wir haben sehr viel erreicht, in den vergangenen 10 Jahren. Vielen Dank an Markus und das Hofteam, aber auch an uns selber als Solawi! Für viele ist aus der Tätigkeit mit- und füreinander in all den Jahren ein Gemeinschaftsgefühl entstanden, das man sonst nur selten erleben kann. Ja, und eigentlich wäre jetzt ein Hoffest fällig, um das alles gebührend zu feiern. Der gegenwärtige Stand der Pandemie verhindert das,- leider. Aber vielleicht ist es ja im Augenblick auch nicht so wichtig zurück zu schauen sondern in die andere Richtung, nach vorn, denn ein neues Stück Wegs liegt vor uns, die Betriebsübernahme durch Daniel (der bisher bei Markus angestellt war) im kommenden Jahr. Die Verhandlungen dafür nehmen im Augenblick ohnehin die volle Aufmerksamkeit aller daran Beteiligten in Anspruch. Wenn dieser Wechsel geschafft ist, können wir ja beides feiern, die Rückschau auf das Erreichte und den Ausblick auf die vor uns liegende neue Wegstrecke. Zeit und Ort? Das Hoffest im Herbst 2022. (PK)