Es war einmal eine Zeit, da gab es kein Unkraut. Es gab nur Kraut.  Und das eine konnte man essen, das andere nicht. Es war die Zeit der Sammler und Jäger, die in den Mythen der Nachfahren gelegentlich auch als „das Paradies“ beschrieben wird. Dann kam eine andere Zeit, in der es sich offenbar als sinnvoller für die Menschen erwies, ihre Nahrung selber zu produzieren. Aus der Perspektive von Ackerbau und Viehzucht erschienen die Bewohner des Sammler-und-Jäger-Paradieses im Nachhinein eher als unbedarft und dumm.  Sie wussten offenbar nicht, dass man sein Brot im Schweisse seines Angesichts verdienen muss und was gut ist und was böse. Und seit dieser Zeit teilt man auch das Kraut ein: Nutzpflanzen = gut und Unkraut = böse. 

Dieses Bewußtsein verfestigte sich dann fortlaufend weiter, nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil sich herausstellte, dass man mit dem Überschuss auf Acker und Weide auch Geld verdienen kann. Geld regiert bekanntlich die Welt. Allerdings kann man es nicht essen.  Das gerät gelegentlich in Vergessenheit.  Wie bei diesem sagenhaften König Midas, der die Gabe hatte, dass sich alles, was er anfasste, in Gold verwandelte. Das Ende vom Lied: der Mann wäre beinahe elendig verhungert,- obwohl er ein König war.  Er überlebte nur Dank der griechischen Mythologie.

Heute haben wir eine Wirtschaftsform, in der sich alles, was man anfasst, wenn nicht in Gold so doch in Geld verwandelt.  Es geht darum, aus diesem Geld mehr Geld zu machen. Und unter dem Druck eines gnadenlosen Konkurrenzkampfs ums billigste Angebot setzen sich dabei Produktionsmethoden durch, welche die Grundlage allen Reichtums, die Erde selbst, auf die Dauer zerstören. Die Landwirtschaft ist dabei ein Teil des Problems (Monokulturen, Massentierhaltung, Pestizideinsatz, Kunstdünger, Gülle etc.) Die verheerenden Folgen einer solchen Wirtschafts- und Lebensweise sind mittlerweile unübersehbar. Das Ergebnis hat einen Namen: die Klimakrise.- König Midas war jedenfalls ein Waisenknabe dagegen.

Solawi versucht bekanntlich, einen anderen Weg zu gehen. Stichwort:  Kreislaufwirtschaft. Alles, was man der Natur entnimmt, sollte man ihr wieder zurückgeben.  Und: die „Wirtschaftlichkeit“ muss sich letzten Endes am nachhaltigen Wohlergehen Aller messen lassen und nicht nur an der Gewinnspanne Einzelner. Dieser andere Weg macht den Blick frei für den Gesamtzusammenhang der Beziehung Mensch-Natur. Oft  erweist sich dabei etwas Unprofitables als Teil jener Vielfalt, die für das dauerhafte Überleben der Menschheit auf diesem Planeten unerlässlich ist.  Das gilt nicht zuletzt auch für das Unkraut am Wegrand, das deshalb in der ökologischen Betrachtungsweise auch „Beikraut“ genannt wird.

Also erstmal: Du kannst es essen. Wenigstens einiges. Zum Beispiel das Franzosenkraut, die Ackersenfblüten oder auch Sauerampfer und Löwenzahn. Das eine oder andere hat sogar Heilwirkung (Kamille, Spitzwegerich, Ackerschachtelhalm). Mitunter vereinigen sich auch beide Eigenschaften in einer Pflanze. Insgesamt trägt das Unkraut zur „Bodengare“ bei (optimaler Zustand der Ackerkrume) und bietet Nahrungsquellen für nützliche Insekten (ua. für Schlupfwespen zur biologischen Schädlingsbekämpfung, – so z.B. auch gegen den Maiszünsler). Ausserdem dienen seine Samen vielen Vögeln als Futter. Blühstreifen gehören deshalb bei uns zum Standard.

Blickst Du dich auf dem Acker um, ist allerdings eins unbestreitbar: in diesem Jahr sind wir ganz besonders mit „Beikraut“ gesegnet. Die Ursache: die aussergewöhnlichen Witterungsverhältnisse. Zu nass und zu warm. Man konnte dem Unkraut direkt beim Wachsen zusehen. Zuviel Nässe verhindert aber auch die maschinelle Bearbeitung. Der Traktor mit seinen verschiedenen Hackvorrichtungen kann dann nicht aufs Feld. Es bleibt also nur die Handarbeit, „im Schweisse des Angesichts“. Ganz unparadiesisch. Aber irgendwie wollen wir ja auch, dass aus  diesen zarten grünen Fähnchen auf dem Acker einmal die Mohrüben für unser Winterlager werden. Und das Unkraut wächst am Anfang einfach schneller. Das ist zwar immer so, aber ganz besonders unter den Wetterbedingungen in diesem Jahr.

Zum Glück gibt es die freiwillige Mitarbeit der Solawi-Gemeinschaft.  Die Beteiligung ist in der Regel recht gut. Und – wie heisst es doch gleich? „Man wächst mit seinen Aufgaben“ –  ggf. auch über sich selbst (und das Unkraut) hinaus. Das ist auf jeden Fall schon mal ein sehr erfreulicher Aspekt.

Ansonsten können wir bei der Lösung dieses vielschichtigen Problems natürlich auf den entsprechenden Sachverstand unserer Landwirt*innen bauen. Absolut ausgeschlossen dabei: die Rückkehr der apokalyptischen Reiter von Bayer- Monsanto & Co. Im Rahmen der Fruchtfolge und des Flächenwechsels ist ohnehin eine  „periodische Grundreinigung“ vorgesehen, z.B. durch die zweijährige Belegung eines Feldes mit Klee oder Luzerne, wobei der dichte Wuchs dieser Pflanzen und die Länge der Belegung das Unkraut beseitigt und die Wurzeln zugleich den Boden durcharbeiten und seinen Nährstoffhaushalt wieder in Ordnung  bringen. 

So wie es momentan aussieht, hält sich bei uns die romantische Begeisterung für das Beikraut eher in Grenzen. Es ist eben alles eine Sache der praktischen Balance, und manchmal ist es auch des Guten zu viel. Aber sobald sich die Lage etwas entspannt, können wir uns wieder freuen, an den unentgeltlichen Gaben aus dem Paradies der Sammler und Jäger, an Franzosenkraut und Ackersenf und wie sie alle heißen – bis hin zu den Heilkräutern.  Es gibt kundige Menschen unter unseren Mitgliedern, die uns bei Gelegenheit das alles zeigen und erklären können.

 

PK