Zumeist sind wir uns sicher, was wir als vegetarischen und was als fleischlichen Genuss einordnen müssen. Doch in mehr Fällen als wir meinen, ist diese Differenzierung gar nicht so einfach. Das zeigt einmal mehr die Diskussion zur möglichen Herstellung des Solawi-Quarks im Nußlocher Ziegenkäsehof. Dort wird nämlich natürliches Lab für die Herstellung des Quarks benutzt. Und auch in der Käsemanufaktur Müller in Hockenheim, die in unserem Auftrag aus der Markushof-Milch Käse herstellt, ist man stolz darauf, dass nur natürliches Lab benutzt wird, wie Claudia Müller im Gespräch erklärt. „In Hockenheim werden ausschließlich Naturkäse von Hand gefertigt, Zutaten die nicht natürlichen Ursprungs sind, gelten hier als Tabu“, lautet seit rund 20 Jahren das Credo der Käsemanufaktur. Und damit sind – streng genommen – weder der Quark, noch der Käse unserer solidarischen Landwirtschaft vegetarische Produkte. Für hartgesottene Veganer, die ohnehin keinen Käse essen, und für gut informierte Vegetarier, die ihre Ernährungsphilosophie sehr ernst nehmen, ist das nichts Unbekanntes. Doch für viele andere ist diese Erkenntnis überraschend.

Was ist Lab?

Lab – drei Buchstaben, die eingefleischten Vegetariern den Appetit vermiesen könne. Was ist Lab eigentlich? Es ist ein Gemisch aus den Enzymen Chymosin und Pepsin. Die tierische Variante wird aus den Mägen von Kälbern gewonnen. Genauer gesagt wird da das Lab aus der Magenschleimhaut des vierten Magens junger Kälber entnommen und weiter verarbeitet. Es kann aber auch von Schafen oder Ziegen stammen. Und damit gelangen schließlich Fleischbestandteile in die Produkte, die man eigentlich als vegetarisch ansieht. Der Quark und der Käse der Solawi sind also nicht für konsequente Vegetarier geeignet.

Wozu braucht man das Lab in der Milchverarbeitung? Das zeigen uns die Lab-Produzenten. Solange die Kälber Milch trinken, benötigen sie diese Enzyme in ihren Mägen, um das Milcheiweiß Kasein aufzuspalten und ernährungstechnisch verwerten zu können. Bei der Herstellung von Quark oder Käse wird das Lab auch eingesetzt, damit die Milch eindickt, ohne sauer zu werden. Tierisches Lab wird zur Käseherstellung benutzt, seit der Mensch Käse macht – es ist also keine neue Idee der industriellen Nahrungsmittelerzeugung, sondern uralte Praxis. Und so sind Käseexperten wie Lothar Müller überzeugt, dass Kälbermagenlab die beste Variante für die Käseherstellung sei, weil diese Funktion ja auch dem Kalb angeboren ist, damit es das Milcheiweiß spalten kann. Es ist aus ihrer Sicht einfach der natürlichste Weg der Käseherstellung. 20 Milliliter tierisches Lab reichen für die Eindickung von etwa 100 Liter Milch aus.

Pflanzlicher und synthetischer Lab-Ersatz

Die Lebensmittelindustrie setze hingegen mittlerweile vor allem auf mikrobielles Lab, weil ihr Kälberlab zu teuer ist. Rund 65 Prozent der Käse aus dem Handel arbeiten mit dieser vegetarischen Alternative zum Kälbermagen. Dabei wird ein spezieller Schimmelpilz zur Labherstellung genutzt. Es gibt zudem noch pflanzliche oder synthetische Stoffe, die als Labersatz verwendet werden können. Damit gilt der Käse dann auch in der jüdischen Küche als koscher, denn da darf Milchiges und Fleischliches nur mit mehrstündigem Abstand gegessen werden. Historische Bedeutung hat bei den pflanzlichen Alternativen das Echte Labkraut, das ja auch seinen Namen diesem Einsatz verdankt. Manchmal ist auch eine Gerinnung durch Zitronensaft oder bei bestimmten Spezialitäten durch Feigen, Papaya oder Artischocken möglich. Da die pflanzlichen Zusätze jedoch den Geschmack des Käses verändern, werden diese vegetarischen Alternativstoffe heute so gut wie nie bei der allgemeinen Käseherstellung eingesetzt.

Aber das mikrobielle Lab schneidet bei Käseexperten nicht unbedingt gut ab. Aus chemischer Sicht spaltet das tierische Lab das Milcheiweiß Casein immer an einer ganz spezifischen Stelle auf. So entstehen gleichlange Teilstücke des Caseins. Die so eingedickte Milch hat optimale Eigenschaften für die weitere Verarbeitung zu Käse. Mikrobielles Lab dagegen bricht Casein nicht so gleichförmig wie das tierische auf. Es entstehen unregelmäßig lange Bruchstücke, die sich nicht optimal für länger reifende Käsesorten oder für Frischkäse eignen. Zudem können beim Einsatz von mikrobiellem Lab unerwünschte Bitterstoffe, so genannte Peptide entstehen, sagen die Freunde des tierischen Labs.

Gentechnik und Biotechnologie

Und dann kommt noch das große Thema Gentechnik auf, denn nicht selten wird eine gentechnische Produktion von mikrobiellem Lab bevorzugt. Dieses Lab wird mit Hilfe veränderter Mikroorganismen gewonnen. Käse aus Gen-Lab brauchen nicht als solche gekennzeichnet zu werden und sind auch laboranalytisch noch nicht eindeutig zu identifizieren.

Bei Bioprodukten sind gentechnisch hergestellte Labaustauschstoffe allerdings nicht erlaubt. Wird unter diesem Siegel ein Austauschstoff genutzt, wird er aus speziell gezüchteten Mikroorganismen oder pflanzlichen Bestandteilen gewonnen. Mikrobielles Lab ist also nicht automatisch gleich Gen-Lab, Biotechnologie und Gentechnik sind nicht ein und dasselbe. Dennoch sind die Grenzen oft fließend, allein wegen der mächtigen Wirtschaftsinteressen, die dahinterstehen.

Wissen was drin ist

Bei unserer Solidarischen Landwirtschaft mit ihren kurzen Erzeugungswegen und ihrer transparenten Produktion erfahren wir schnell durch Nachfragen, welches Lab benutzt wird – eben das aus Kälbermägen.

Und auch im Supermarkt steht inzwischen auf den meisten Verpackungen, ob mikrobielle Austauschstoffe benutzt wurden oder nicht. Doch Lab muss nicht unbedingt deklariert werden, da es international nicht als Lebensmittelzusatzstoff eingestuft wird. Es ist ein sogenannter Produktionshilfsstoff. Daher kann man manche Käsepackungen im Supermarkt drehen und wenden wie man möchte, es befinden sich keine Informationen zum möglicherweise enthaltenen Lab auf ihnen. Steht allerdings nichts über das verwendete Lab in der Zutatenliste, dann kann man in den meisten Fällen davon ausgehen, dass natürliches beziehungsweise tierisches Lab benutzt wurde.

Text: Ralf S.  Fotos: Ralf S. und Peter K.