Ich hätte es wissen müssen, aber es ist mir erst später eingefallen. Diese merkwürdige grün lackierte Lafette, die da seit ein- zwei Tagen auf der Hangwiese eines Nachbarhofes stand, war keineswegs für die Überführung einer Maisbacher Segeljacht zum Bodensee gedacht, sondern das Transportgestell für das Mähwerk eines Claas-Mähdreschers. Die SMS am 23.7. um 15:41 Uhr von Daniel machte dann alles klar: „Es wird gedroschen. Wir beginnen mit dem Roggen am Forlienbuckel.“

Wenn man zum Forlienbuckel will, muß man erstmal einen ausgefahrenen Arbeitsweg hügelan stiefeln, und oben, nach dem großen Birnbaum, öffnet sich dann der Blick aufs Feld. Ich hatte den Weg noch in den Knochen, denn vor 3 Jahren war der Forlienbuckel mal unser Gemüseacker gewesen. Merkwürdig,- Beine haben offenbar ein Gedächtnis. Aber diese Saison sind wir mit unserm Gemüse woanders, und als ich oben am Forlienbuckel ankomme, steht da Roggen auf dem Halm. Fruchtfolge live. 3 Reihen sind schon gemäht. Aber wo ist der Mähdrescher? Von irgendwoher Motorengeräusch. Dann warte ich eben, denke ich mir, einmal muss er ja hier wieder vorbeikommen. Nur,- er kommt nicht. Was mache ich? Quer durchs Feld und dabei unsere wertvollen Ähren nieder trampeln? Nein. Also dann: ums Feld herum. Im Uhrzeigersinn oder gegenläufig? Gegenläufig. Zwischenergebnis: ich weiß jetzt, wo der Hänger steht. Am oberen Ende des Schlages nämlich. Da muss er auf jeden Fall mal hin, der Mähdrescher. Ich laufe weiter, den angrenzenden Waldrand entlang. Und schließlich  gibt mir eine Biegung den Blick frei auf den unteren Teil des Forlienbuckels, und endlich, da sehe ich ihn. Er navigiert souverän durch ein Meer wogender Roggenähren, wie ein Frachter auf dem Ozean, nur dass er anstelle der Schaumschleppe im Kielwasser lockere Reihen von Stroh hinter sich lässt. Der Kapitän leistet Präzisionsarbeit. Er hat sich den Schlag offenbar dem Gelände entsprechend genau aufgeteilt. Erstmal der untere, flachere Teil, bevor er den oberen einkreist. Er kennt sich aus. Er arbeitet ja schon seit 3 Jahren für uns. Am Birnbaum hätte ich lange auf ihn warten können.-  Und dann kommt der Moment wo sich das Füllrohr über den Hänger senkt. Wie es da so heraus strömt, aus dem Bauch der Maschine, will mir nur ein Ausdruck dafür einfallen: Überfluss, absoluter Überfluss. Aber dann erscheint Markus schon mit einem neuen Hänger. Perfekte Absprache. Nach der Bewertung des Ertrags gefragt, wird er später sagen: ein mittleres Ergebnis. Aber der Städter in mir besteht darauf: er hat ein Wunder gesehen.

Tags drauf wird aufgeräumt,- mit dem Wunder des Städters. Die „Kielwasserschleppe“ von gestern wird fein säuberlich aufgerollt und ballenweise abtransportiert, zur Lagerhalle am Stall.  Einstreu für unser Milchvieh. Und auf diesem Wege wird sie dann am Ende wieder auf dem Acker landen – als Mist.